Geothermie-Forschung

Abschluss des Geothermie-Forschungsprojekts INSIDE

24.10.2024 I Im Geothermie-Land Bayern entstehen aktuell zahlreiche neue Geothermie-Projekte. Vor diesem Hintergrund liefert das im Mai 2024 abgeschlossene Forschungsprojekt INSIDE wichtige Erkenntnisse, damit Versorger ihre Geothermie-Anlagen sicher betreiben können.

Gefördertes Gemeinschaftsprojekt

INSIDE steht für die „Untersuchung von INduzierter SeIsmizität und BodenDEformation als Interferenzaspekte beim Betrieb von Geothermie-Anlagen im bayerischen Molassebecken“. Dies war neben der Anwendung innovativer Überwachungstechniken und dem Vorschlag eines „Reservoir-Management-System“-Konzepts das Hauptziel des Projekts.

Das Forschungsprojekt lief von September 2019 bis Mai 2024. Projektpartner waren die beiden Geothermie-Betreiber Stadtwerke München GmbH (SWM) und Innovative Energie für Pullach GmbH (IEP), die Wissenschaftler des KIT – Karlsruher Institut für Technologie sowie die Erdwerk GmbH, die das Forschungsvorhaben mit ihrer geologischen und bohrtechnischen Expertise unterstützt hat. Das Bundeswirtschaftsministerium hat das Projekt mit einem Budget von 4,7 Millionen Euro gefördert, eingereicht vom Projektträger Jülich (PTJ).

Leitfragen des Projekts

Um die Hauptziele des Projekts zu erreichen, haben die Betreiber des Projekts und das KIT in diesen viereinhalb Jahren an mehreren Themen zusammengearbeitet: fundierte Datenanalyse, seismische Überwachung, geodätische Überwachung, numerische Reservoir-Modellierung, Reservoir-Management-System und Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Zu jedem Themenblock gab es eigene Fragestellungen zu beantworten:

  • Ist es möglich, das seismische Geschwindigkeitsmodell zu verbessern und es für die untersuchte geothermische Zone zuverlässig zu machen? Dies würde die Lokalisierung möglicher seismischer Ereignisse verbessern.
  • Lässt sich die Empfindlichkeit seismischer Überwachungsnetze im Münchner Stadtgebiet verbessern und schwache induzierte Seismizität beobachten? Dies könnte den Betreibern helfen, Seismizität einzudämmen.
  • Ist Distributed Acoustic Sensing (DAS) aus Glasfaserkabel-Technologie zur seismischen Überwachung einsetzbar? Dies könnte die seismischen Überwachungsmöglichkeiten verbessern.
  • Sind im Projektgebiet Hebungen oder Senkungen erkennbar und lassen sich satellitengestützte Messungen zur Bestimmung des Einwirkungsbereiches nutzen? Dies könnte zu einer besseren räumlichen und zeitlichen Eingrenzung von Bodenbewegungsereignissen beitragen.
  • Wie variieren Temperatur, Druck und Spannung im Reservoir im Verlauf der geothermischen Feldausbeutung und lässt sich diese numerische Reservoir-Modellierung mit einem Modell der induzierten Seismizität koppeln? Dies würde dazu beitragen, die Geothermie-Ressourcen für eine nachhaltige Nutzung zu gestalten.
  • Wie sollten Betreiber reagieren, wenn „kritische Ereignisse“ beobachtet oder vorhergesagt werden, und können wir ein in den „Kontrollraum“ der Betreiber integriertes System schaffen, um die Entscheidungsfindung zu erleichtern und zu beschleunigen?


Deformations-Monitoring-Station Baierbrunn. Installierte GNSS-Antenne mit Solarpanel zur Stromversorgung

Foto © GNSS/Bence

Zusammenarbeit und Meilensteine

Um diese Fragen zu beantworten, arbeiteten die an INSIDE beteiligten Betreiber und das KIT zusammen: von der Datenerhebung über die Installation unterschiedlicher Messgeräte und -stationen bis hin zur Entwicklung eines Prototyps für ein Reservoir-Management-System und schließlich der Kommunikation der Ergebnisse an ein Fachpublikum.

Die wichtigsten Meilensteine im Zusammenhang mit der Erfassung der für die Durchführung der Forschung erforderlichen Daten waren:

Juni 2020

Aufschlussanalogie-Studie im nördlichen/südlichen Frankenjura

November 2020

Inbetriebnahme Bohrloch-Seismometer-Station Siemensallee in München

Mai 2021

Monitoringbohrung in Buchenhain

Juni 2021

Inbetriebnahme des gesamten seismischen Monitoringnetzes in Pullach und Umgebung

August 2021

Bohrlochmessprogramm mit VSP*-Messung an der TH3-Bohrstelle bei IEP in Pullach

Februar 2022

DAS**-Monitoring
Langzeitpumpversuche am Energiestandort Süd in München

März 2022

Ausbau von zwei GNSS***-Stationen inklusive Corner-Reflektoren in München

April 2022

Erweitertes Kernuntersuchungsprogramm im nördlichen/südlichen Frankenjura

Frühjahr 2022

Inbetriebnahme Mini-Array im Siemenspark in München

Sommer 2022

Tracer-Versuche in der SWM Geothermieanlage am Energiestandort Süd in München

* Vertical Seismic Profiling
** Distributed Acoustic Sensing
*** Globales Navigations-Satellitensystem

Die angegebenen Daten geben den Start der jeweiligen Maßnahmen an.
 

Ergebnisse des Forschungsprojekts INSIDE

Die in Pullach (VSP) erfassten aktiven seismischen Bohrdaten ermöglichten es, das seismische Geschwindigkeitsmodell in diesem Gebiet zusammen mit den vorhandenen seismischen 2D- oder 3D-Interpretationen besser zu definieren. Darüber hinaus wurden Kernproben im Labor analysiert, um zusätzliche petrophysikalische Informationen zu liefern, die für die Charakterisierung der Reservoirgesteine und ihrer Reaktion auf Druck, Spannung oder Temperatur nützlich sind.

Das im Rahmen von INSIDE eingesetzte seismische Überwachungsnetzwerk konnte Ereignisse mit Magnitude -0,8 auf Reservoirebene erkennen. In den letzten drei Jahren wurde jedoch fast keine Seismizität beobachtet. Die Leistungsfähigkeit von Bohrloch- oder Oberflächenseismometern, Oberflächen-Miniarrays und Glasfaserkabel-Sensoren konnte verglichen werden. Dies zeigte, dass die DAS-Erfassung aus Glasfaserkabeln, die in Bohrlöchern einzementiert werden, eine wertvolle Technologie zur Erkennung sehr kleiner seismischer Ereignisse ist.

Die Analyse der Satellitendaten zeigte, dass die Präzisionsanforderungen der Markscheider-Bergverordnung erfüllt werden können. Untersucht wurden Zeitreihen der globalen Positionierungsdienste wie GPS sowie Radarbilder von Erdbeobachtungssatelliten. Diese Technologien, insbesondere die kostenfrei verfügbaren Karten des deutschen und des europäischen Bodenbewegungsdienstes, können die räumliche und zeitliche Auflösung der Bodenbewegung (Hebung oder Senkung) verbessern und dazu beitragen, sensible Strukturen sowie den Beginn möglicher Veränderungen besser zu identifizieren. An den Bohrungen in der Schäftlarnstraße in München und in Pullach waren weder Hebungen noch Senkungen im Zusammenhang mit der Geothermie-Nutzung eindeutig nachweisbar.


Wellenformen eines Ereignisses der Momentenmagnitude 0,5, aufgezeichnet am Standort Buchenhain
a) zeigt Distributed Acoustic Sensing (DAS) entlang eines an der Oberfläche installierten Glasfaserkabels
b) zeigt DAS entlang eines in einem 250 m tiefen vertikalen ins Bohrloch zementierten Glasfaserkabels (Symbol W in a))
c) zeigt ein Standard-Dreikomponenten-Seismometer an der Oberfläche (Symbol S in a))

Bild © Jerome Azzola, KIT

Die numerische Reservoirmodellierung bestätigte die Rolle der thermischen Effekte in der Nähe der Injektionsbohrungen im Reservoir und konnte auch das Ausmaß der Bodenverformung simulieren, das auf lange Sicht zu erwarten ist und mit weniger als einigen Zentimetern über 50 Jahre der Nutzung gering bleibt. Die Kopplung eines komplexen 3D-thermo-hydromechanischen Reservoirmodells mit einem dynamischen Erdbebenausbreitungsmodell wurde implementiert. Hier sind jedoch weitere Arbeiten erforderlich, um induzierte Seismizität zu simulieren.

Abschließend wurde ein Konzept für das Reservoirmanagement vorgeschlagen, das eine Datenbank, ein Verarbeitungszentrum und ein Dashboard kombiniert. Ein auf einer Internet-of-Things-Plattform (IoT) basierender Prototyp wurde in der Schäftlarnstraße in München mit verteilten akustischen Daten getestet, die von einem im Bohrloch zementierten Glasfaserkabel erfasst wurden. Dieser erste Test zeigte, dass das vorgeschlagene Konzept realisierbar ist, es sind jedoch noch weitere Anstrengungen erforderlich, um ein wirksames System zu implementieren.

 

Nutzung der Ergebnisse durch die Geothermie-Betreiber

Die Zusammenarbeit von Betreibern und Forschern im Rahmen des INSIDE-Forschungsprojekts hat zur Installation eines äußerst leistungsstarken und hochempfindlichen Messnetzwerks geführt, trotz städtischer Umgebung und relativ hohem menschengemachten Lärmpegel.

Auch nach Abschluss des Forschungsvorhabens können die Betreiber von Messungen und Daten profitieren, die weit über die Anforderungen des Gesetzgebers hinausgehen. Durch die deutliche Steigerung von Daten und Sensitivität können die Betreiber mit einem besseren Verständnis des Untergrunds rechnen, was angesichts der zahlreichen neuen und geplanten Geothermie-Projekte im Raum München hoch relevant ist.

Darüber hinaus bietet die große Sensitivität der seismischen und geodätischen Netze den Betreibern die Möglichkeit, bei anormalem – aber noch geringem – seismischem und geodätischem Verhalten frühzeitig und angemessen zu reagieren.

Die in der Schäftlarnstraße implementierte Infrastruktur zwischen Glasfaserkabel und Verarbeitungsergebnissen der erhobenen Daten war ein Vorschlag, um die Möglichkeiten einer nahezu Echtzeitverarbeitung von DAS-Glasfaserkabel-Messungen innerhalb der Arbeitsumgebung des Betreibers zu testen, der daraus abgeleitet entsprechende operative Entscheidungen treffen kann. Dies war ein entscheidender Schritt in Richtung eines Reservoir-Management-Systems. Letztendlich wird ein besseres und genaueres Verständnis der Ressourcen unter unseren Füßen dazu beitragen, dass wir diese Energieressourcen nachhaltig nutzen können.

Auf einer Internet-of-Things-Plattform (IoT) entwickelter und getesteter Prototyp mit verteilten akustischen DAS-Daten am Energiestandort Süd

Grafik © KIT

Abschlusspräsentation der Ergebnisse

Die Ergebnisse des Geothermie-Forschungsprojekts INSIDE können Sie hier abrufen:

Projekt-Webseite INSIDE

Hier stellen wir komprimiert vor,

  • wie die Forscher und die Geothermie-Betreiber zusammengearbeitet haben,
  • welche Daten sie erfasst haben,
  • wo und mit welchen technischen Geräten sie neue Daten erhoben und in den Untergrund hineingehorcht und die Erdoberfläche abgetastet haben,
  • welche Erkenntnisse die Daten liefern
  • und wie die Betreiber von Geothermie-Anlagen davon profitieren können.

Dieser Projektbericht entstand in Zusammenarbeit der INSIDE-Projektpartner vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), von der Innovative Energie für Pullach GmbH (IEP) und der Stadtwerke München GmbH (SWM).

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