Hochspannungssupraleiter im Testbetrieb: Interview zum Forschungsprojekt „SuperLink“
21.01.2025 | Der Strombedarf steigt kontinuierlich – und damit die Herausforderung, unser Netz bei erhöhter Leistungsfähigkeit stabil zu halten. Die SWM Infrastruktur, Netzbetreiber in München, entwickelt mit Partnern derzeit eine Supraleitung, die genau das sicherstellen soll: energieeffizienter als herkömmliche Leitungen über lange Strecken hinweg verlässlich Strom übertragen. Seit Oktober 2024 wird ein Prototyp im Hauptumspannwerk Menzing getestet, 2030 soll er in Betrieb gehen. Im Interview erklärt Projektkoordinator Peter Michalek, was dahintersteckt.
Supraleiter sind eine wegweisende Technologie für zukünftige Stromnetze. Unsere Netztochter SWM Infrastruktur hat im Kooperationsprojekt „SuperLink“ alle Teile eines Supraleiters entwickelt. Der Prototyp ist im Oktober 2024 erfolgreich im SWM Hauptumspannwerk Menzing in Betrieb gegangen und wird nun umfangreich getestet. Wenn der Prototyp die an ihn gestellten Anforderungen erfüllt, soll in München der weltweit erste kommerzielle Hochspannungssupraleiter verlegt werden – 15 Kilometer lang, von Menzing bis nach Sendling verlaufend.
Im Interview erklärt Projektkoordinator Peter Michalek, wie die Testungen laufen, welche Herausforderungen auf das Projektteam zukommen könnten und welche Vorteile ein Hochspannungssupraleiter mit sich bringt.
Interview mit Projektkoordinator Peter Michalek
15 Kilometer lang soll der Hochtemperatur-Supraleiter werden und von Menzing bis nach Sendling verlaufen. Es wäre der längste der Welt, ein ambitioniertes Projekt. Warum haben sich die SWM dafür entschieden?
In München stehen wir derzeit vor zwei Herausforderungen: Wir müssen unser alterndes 110-kV-Kabelnetz erneuern und gleichzeitig mehr Stromleistung in die Stadt bringen. Die Supraleiter-Technologie kann dabei helfen. Nach einer Studie aller Supraleiter-Projekte weltweit haben wir festgestellt, dass die Technologie zuverlässig funktioniert, und daher das Forschungsprojekt „SuperLink“ ins Leben gerufen.
Was genau ist ein Supraleiter und wie unterscheidet er sich von herkömmlichen Stromleitern?
Wenn Strom durch herkömmliche Kupferleiter fließt, entsteht Wärme und Widerstand. Dadurch geht wertvolle Energie verloren. In einem Supraleiter hingegen fließt der Strom nahezu ohne Widerstand. Es gibt also so gut wie keinen Leistungsverlust. Dies gelingt, in dem man die Leitung mithilfe von flüssigem Stickstoff auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt – etwa minus 273 Grad Celsius – abkühlt. Die neuen Supraleiter nennt man Hochtemperatur-Supraleiter, denn sie funktionieren bereits bei etwas höheren Temperaturen, um die minus 200 Grad Celsius.
Welche Vorteile hat die Technologie?
Neben der Fähigkeit, mehr Strom ohne Leistungsverluste zu transportieren, punktet die Technologie mit Umweltschonung: Es werden natürliche Materialien verwendet, so können keine schädlichen mineralischen Stoffe austreten. Außerdem ersetzt ein Supraleiter-Kabel bis zu fünf herkömmliche Kabel. Bauarbeiten können so deutlich reduziert werden. Das ist vor allem in einer Großstadt wie München von Vorteil. So können wir die Infrastruktur nachhaltig modernisieren und den steigenden Energiebedarf decken.
SWM Projektkoordinator Peter Michalek
Foto: privat
Welche Herausforderungen gibt es bei der Verwirklichung dieses Projekts?
Eine zentrale Aufgabe ist es, einen geschlossenen Stickstoffkreislauf zu entwickeln. Wir wollen nicht ständig neuen Stickstoff nachfüllen, sondern den vorhandenen immer wieder kühlen – ähnlich wie in einem Kühlschrank. Das ist deutlich nachhaltiger. Bei längeren Kabelstrecken, wie wir sie hier in München planen, werden wir den Stickstoff immer wieder zwischenkühlen müssen – auch hierfür müssen wir eine Stickstoff-Austausch-Unit testen.
Gab es bisher unerwartete Entdeckungen in der Testung?
Tatsächlich gab es keine größeren Überraschungen. Eine Prüfung hat nicht sofort funktioniert, aber insgesamt hatten wir viel weniger Schwierigkeiten als erwartet. Wir testen jetzt im realen Netz und sind bislang sehr zufrieden. Es ist beeindruckend, ein theoretisches Konzept erfolgreich in die Praxis umzusetzen. In der Hochspannungstechnik treten Fehler meist sofort oder gar nicht auf. Das macht unsere bisherigen Erfolge umso bemerkenswerter.
Gehen wir davon aus, dass die Testungen positiv verlaufen. Wie sieht der Zeitplan für die Umsetzung des Supraleiters in München aus?
Bei den Stadtwerken München rechnen wir für ein Kabelprojekt normalerweise mit einer Dauer von etwa drei Jahren. Das erste Jahr ist die Planungszeit, im zweiten Jahr legen wir die Rohre und im dritten Jahr kommt dann der Supraleiter hinein und wird an den vorgesehenen Stellen zusammenmontiert und in Betrieb genommen. Bei einem 15 Kilometer langen Supraleiterkabel kann es durchaus auch vier oder fünf Jahre dauern. Es gibt viele Faktoren zu berücksichtigen, wie unvorhergesehene Funde in der Erde und Gespräche mit Anliegern, die den Bauzeitplan beeinflussen können. Beispielsweise können wir während des Oktoberfests nicht im Bereich der Theresienwiese bauen. Solche Einschränkungen müssen immer im Hinterkopf behalten werden.
Wie tief unter der Erde liegt ein Hochtemperatur-Supraleiter?
Wir planen, das Kabel in einem Stahlrohr in einer Tiefe von etwa 1,50 Metern zu verlegen, ähnlich wie andere Kabel in München.
Wie groß ist das internationale Interesse am Projekt?
Das Interesse an unserem Projekt ist international größer, als es hier wahrgenommen wird. Wir planen schließlich den weltweit ersten kommerziell genutzten Supraleiter. Er wurde bereits in Paris vorgestellt, wo eine große Nachfrage herrschte, und Vertreter der Universität Tokio möchten sogar nach München reisen, um sich den Supraleiter vor Ort anzuschauen. Viele Großstädte weltweit stehen vor der Herausforderung, dass sich ihr Strombedarf durch die Energiewende sehr stark erhöhen wird. Der Supraleiter ist hierfür eine tolle Sache.
Film: Forschungsprojekt „SuperLink“
zur Verfügung gestellt von muenchen.tv