Das können Hochspannungs-Supraleiter
10.10.2024 | Supraleiter sind eine wegweisende Technologie für zukünftige Stromnetze. Unsere Netztochter SWM Infrastruktur hat in einem Kooperationsprojekt alle Teile eines Supraleiters entwickelt. "SuperLink", dieser Prototyp, ist im Oktober 2024 erfolgreich im SWM Hauptumspannwerk Menzing in Betrieb gegangen – als der weltweit erste Hochspannungssupraleiter, der alle Komponenten enthält, die für eine Langstreckenverlegung innerhalb einer Großstadt sowie über Land erforderlich sind. Doch was ist ein Supraleiter überhaupt? Und welche Vorteile hat er?
SWM Forschungsprojekt „SuperLink“
Im Projekt „SuperLink“ will unsere Netztochter SWM Infrastruktur (SWMI) ein 15 Kilometer langes supraleitendes Kabel in München realisieren. Damit schreiben wir Technikgeschichte, denn es entsteht der mit Abstand längste Hochtemperatur-Supraleiter der Welt. Diese innovative Leitung soll das Stromnetz der SWMI noch zukunftsfähiger und seinen Betrieb noch klimaschonender machen.
Wir haben uns mit renommierten Partnern zusammengetan: Beteiligt sind neben dem Industriegase-Konzern Linde, der Ismaninger Supraleiterhersteller THEVA, der Kabelhersteller NKT, die Fachhochschule Südwestfalen und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Gefördert wird das Forschungsvorhaben im Auftrag der Bundesregierung durch den Projektträger Jülich.
Innovative Stromleitung von Menzing nach Sendling geplant
Im ersten Teil des Projekts haben wir alle Komponenten des Supraleiters entwickelt. Nachdem die Qualifikationstests beim Kabelhersteller NKT erfolgreich bestanden wurden, haben wir den Prototypen im Hauptumspannwerk Menzing in Betrieb genommen. Der Supraleiter wird nun im Betrieb auf Herz und Nieren geprüft. Wenn der Prototyp, was zu erwarten ist, die an ihn gestellten Anforderungen erfüllt, soll bei Vorliegen der technisch-wirtschaftlichen Voraussetzungen in München der weltweit erste kommerzielle Hochspannungssupraleiter verlegt werden.
Geplant ist eine 15 Kilometer lange Hochspannungsleitung zwischen Menzing und dem Energiestandort Süd in Sendling. Darüber hinaus wird die Möglichkeit zum Einsatz des Supraleiters auch an anderen Stellen im Münchner Stromnetz untersucht.
„In einem Supraleiter fließt der Strom – anders als in herkömmlichen Freileitungen oder Erdkabeln – nahezu ohne Verluste, und es entstehen keine elektromagnetischen Felder“, erklärt der SWM Projektkoordinator Peter Michalek. „Damit das System funktioniert, muss man das Keramik-Kabel, das hier zum Einsatz kommt, mit flüssigem Stickstoff auf ca. - 200 Grad Celsius herunterkühlen. Trotz der notwendigen Kühlung ist die Leitung aber immer noch extrem kompakt und eignet sich dadurch hervorragend gerade für dicht bebaute Areale.“ Der Aufwand für die Verlegung der Leitungen und die damit verbundenen Beeinträchtigungen für die Anwohner*innen können so stark reduziert werden.
Supraleiter-Prototyp im SWM Hauptumspannwerk Menzing
© Vauel
Wie funktioniert ein Supraleiter?
Um zu verstehen, was ein Supraleiter ist und welche enormen Vorteile diese Technologie bringt, muss man zunächst einige physikalische Grundlagen klären:
- Ein Leiter ist ein Bauteil, durch das Strom fließen kann, z. B. ein Metalldraht. Wenn Strom fließt, bedeutet das, dass sich negativ geladene Elektronen durch den Leiter bewegen. Das ist nicht völlig ohne Reibung möglich, weil die Elektronen auf ihrem Weg durch das Metall immer mal wieder mit anderen Ionen zusammenstoßen und dabei einen Teil ihrer Bewegungsenergie an diese abgeben.
- Um die Elektronen durch den Leiter zu bewegen, muss man daher Energie zuführen. Das erwärmt wiederum den Leiter. Je höher die Temperatur des Leiters, desto mehr Energie muss man aufwenden, um den Strom fließen zu lassen. Wenn die zugeführte elektrische Energie in Wärmeenergie umgewandelt wird, nennt man das den elektrischen Widerstand. Jeder Leiter hat einen spezifischen Widerstand, der angibt, wie stark der elektrische Strom in ihm behindert wird. Je kleiner er ist, desto besser können sich die Elektronen darin bewegen. Er hängt von der Größe des Leiters (Querschnitt des Drahts), der Länge des Leiters und dem Material ab. Dieser Widerstand beschränkt die Menge der elektrischen Energie, die durch den Leiter transportiert werden kann.
- Der Widerstand steigt bei höheren Temperaturen. Er sinkt aber auch, wenn man den Leiter abkühlt. Eine gekühlte Leitung kann daher mehr elektrische Energie transportieren. In physikalischen Experimenten hat man versucht, Leiter möglichst weit abzukühlen, bis nah an den absoluten Nullpunkt von 0 Kelvin (das entspricht −273,15 Grad Celsius). Dieser bezeichnet den unteren Grenzwert für die Temperatur, kälter kann es nirgendwo in unserem Universum werden. Denn bei 0 Kelvin verlieren alle Elementarteilchen ihre Bewegungsenergie.
Geschichte der Supraleitung
Supraleiter haben keinen Widerstand
Den Effekt der Supraleitung kennt die Physik seit 1911. Damals entdeckte der Niederländer Kamerlingh Onnes, dass der Widerstand eines Quecksilberleiters komplett wegfällt, wenn man ihn auf eine Temperatur von 4,2 Kelvin abkühlt, also auf knapp oberhalb des absoluten Nullpunkts.
Supraleitung bedeutet also, dass Strom völlig ohne Widerstand durch einen elektrischen Leiter fließt, wenn dieser eine bestimmte Temperatur unterschreitet. Durch einen Supraleiter kann man Strom mit beliebig hoher Stromstärke laufen lassen, ohne dass ständig elektrische Energie aufgewendet werden muss.
Für die Kühlung des Quecksilbers verwendete Onnes flüssiges Helium. Da dieses in der Herstellung sehr teuer ist, waren die Supraleiter zunächst nicht wirtschaftlich verwendbar.
Durchbruch mit der Hochtemperatur-Supraleitung
Doch später ist es anderen Physikern gelunden, Supraleiter zu schaffen, die auch bei höheren Temperaturen keinen Widerstand mehr haben. Sie bestehen nicht mehr aus Metall, sondern zum Beispiel aus keramischen Werkstoffen, etwa Legierungen aus Barium, Kupferoxid und solchen Elementen wie Yttrium, Strontium oder Titan. Die Entdeckung der „Supraleitung in keramischen Materialien“ machten in den 80er Jahren die zwei Deutschen Karl Alexander Müller und Georg Bednorz. Sie erhielten dafür 1987 den Physik-Nobelpreis.
Die neuen Supraleiter nennt man Hochtemperatur-Supraleiter, trotzdem benötigen sie immer noch vergleichsweise tiefe Temperaturen um 40 Kelvin (-233 Grad Celsius). Der große Vorteil ist aber, dass bei dieser Temperatur Stickstoff flüssig ist, sein Siedepunkt liegt bei 77 Kelvin (-196 Grad Celsius). Anders als flüssiges Helium ist flüssiger Stickstoff als Kühlmittel einfach und kostengünstig herstellbar.
Einsatzmöglichkeiten von Supraleitern
Neben etwa 30 supraleitenden Elementen kennt man inzwischen mehr als 1000 supraleitende Legierungen und Verbindungen. Inzwischen wurden auch schon Legierungen geschaffen, bei denen die kritische Temperatur bei ca. 100 K (-170 Grad Celsius) liegt.
Aus vielen technischen Bereichen ist die Supraleitung heute nicht mehr wegzudenken, trotz der dafür nötigen Temperaturen. Sie wird genutzt, um mit supraleitenden Spulen starke Magnetfelder zu erzeugen, etwa in der Medizin bei Kernspin-Tomografen. Andere Anwendungsmöglichkeiten sind Magnetschwebebahnen oder Kernfusionsreaktoren.
Welche Vorteile haben Supraleiter fürs Stromnetz?
Zurück zum Anwendungsfall der Stromnetze: Durch Supraleiter fließt der Strom ohne Widerstand, daher können große Mengen elektrischer Energie transportiert werden. Langfristig gesehen wären supraleitende Kabel ideal, um große Strommengen über weite Distanzen zu übertragen. Es wären weniger Kraftwerke nötig, weniger Treibhausgase würden freigesetzt, die Kosten würden stark fallen.
Ein großflächiges überregionales Netz aus Supraleitern ist bei den momentan benötigten Temperaturen nicht wirtschaftlich. Zu teuer und kompliziert ist die Verlegung der wärmeisolierten Röhren, in denen flüssiger Stickstoff den (nur bedingt biegsamen) Leiter umspült. Eine Zukunftsvision wäre eine Supraleitung bei Raumtemperatur, doch soweit ist die Forschung bisher nicht.
Ideal geeignet für Städte
Doch auch heute schon können Supraleiter in Stromnetzen sinnvoll eingesetzt werden, in kleinerem Maßstab: Auf kürzeren Strecken in Städten können Supraleiter vor allem Platz sparen: Um dieselbe Menge Strom zu transportieren wie in einem konventionellen Leiter, benötigt ein Supraleiter eine sehr viel geringere Spannung. Ein Umspannwerk für 110 kV, wie sie in regionalen Transportnetzen verwendet werden, ist so groß wie eine Turnhalle. Für 10 kV, die für einen Supraleiter ausreichen, passt das Umspannwerk in eine Doppelgarage. Auch die Leitung selbst ist extrem kompakt und daher gerade für dicht bebaute Areale hervorragend geeignet, da der Aufwand für die Leitungsverlegung sehr viel geringer ist.
Film: Forschungsprojekt "SuperLink"
zur Verfügung gestellt von muenchen.tv