Kommunale Unternehmen und die Smart City
18.02.2021 | Neue, digitale Technologien haben ein sehr großes Potenzial, kommunale Dienstleistungen zu reformieren und dabei bürgerfreundlicher und effizienter zu gestalten. Im Hintergrund werden städtische Infrastrukturen digitalisiert und Städte wandeln sich zu Smart Cities. Zusammen ist das „Digitale Daseinsvorsorge“.
Kommunale Daseinsvorsorge
Grundversorgung der Bürger*innen
Was ist die Definition von Daseinsvorsorge, was versteht man darunter? Dieser Begriff beschreibt die Aufgabe, alle notwendigen Güter und Dienstleistungen für die Bürger*innen bereitzustellen, also eine Grundversorgung zu leisten. Dazu gehören unter anderem die Energie- und Wasserversorgung, die Entsorgung von Abfall und Abwasser, Leistungen in den Bereichen Bildung und Kultur, Gesundheit, öffentliche Sicherheit, Telekommunikation, Verkehr und Wohnungswirtschaft.
Erbracht werden diese Leistungen in erster Linie von kommunalen Wirtschaftsunternehmen. Als eines der größten kommunalen Unternehmen Deutschlands sind die SWM ein wichtiger Teil der kommunalen Daseinsvorsorge in München und der Region. Wir sind verantwortlich für eine sichere Versorgung mit Energie, eine stadtgerechte Mobilität, für zukunftsfähige Telekommunikationsleistungen und bestes Trinkwasser.
Eigentümerin der SWM ist zu 100% die Landeshauptstadt München. Die SWM gehören also den Münchner Bürger*innen. Ziel unserer Aktivitäten ist es, die Lebensqualität in München und der Region zu erhalten und weiterzuentwickeln. Dazu gehören auch Leistungen im Bereich Telekommunikation, eine funktionierende IT und die schnelle Anbindung ans Internet für alle Bürger*innen und Unternehmen als wesentlicher Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge. Denn: Wir wollen München über unser Basisgeschäft hinaus zu einer digital vernetzten Smart City der Zukunft machen.
Digitale Daseinsvorsorge
Schnittstellen in kommunaler Hand behalten
Die fortschreitende Digitalisierung macht Städte zu sogenannten Smart Cities. Klassische Angebote und Services der Kommunen werden um digitale Angebote erweitert, die den Alltag der Bürger*innen erleichtern. Denn diese möchten nicht nur digital einkaufen und kommunizieren, sondern auch online Behördengänge erledigen, ihren Energieversorger kontaktieren oder Tickets für den öffentlichen Nahverkehr lösen.
Die Digitalisierung schafft viele Vorteile, sie erzeugt aber auch ein Gut, das für private Unternehmen sehr wertvoll ist: persönliche Daten. Daher streben zunehmend auch Global Player danach, mit attraktiven Angeboten kommunale Versorgungs-Schnittstellen zu besetzen und mit den Daten der Bürger*innen private Gewinne zu erwirtschaften.
Digitale Daseinsvorsorge bedeutet, diese Schnittstellen für kommunale Services in den kommunalen Unternehmen zu behalten. Denn diese sind der Daseinsvorsorge verpflichtet, verfügen über lokales Wissen und stellen den Schutz der Daten in den Mittelpunkt. Sie bieten persönliche Anlaufstellen mit zahlreichen Service-Angeboten und erzeugen einen Mehrwert für die Bürger*innen.
Film: Was ist digitale Daseinsvorsorge?
Thesen zur digitalen Daseinsvorsorge
Im Rahmen der Veranstaltung „Digitale Daseinsvorsorge“, die im Januar 2021 in München stattfand, haben die Teilnehmer*innen (u. a. von bayerischen Stadtwerken, Verbänden, aus der Politik, dem Bildungssektor sowie aus diversen Privatunternehmen) Thesen erarbeitet, wie die Zukunft der digitalen Daseinsvorsorge aussehen kann.
Die Rolle kommunaler Unternehmen
- Kommunale Unternehmen sind auf das Gemeinwohl ausgerichtet und demokratisch kontrolliert. Daher sind sie die logischen Erbringer von Leistungen der Digitalen Daseinsvorsorge. Stadtwerke sind ideal geeignet, die Smart City Manager der Zukunft zu werden, weil ihre Stärke in der lokalen Integration von Dienstleistungen liegt.
- Globale Digitalunternehmen sind ernst zu nehmende Konkurrenten in diesem Feld. In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, ob die kommunalen Dienstleister die direkten Beziehungen zu ihren Bürger*innen halten können oder sie an globale Plattformunternehmen verlieren.
- Insbesondere bei der Digitalen Daseinsvorsorge gibt es für kommunale Unternehmen durch Vergaberecht, Kommunalrecht (und damit eingeschränkte Skalierungsfähigkeit neuer Geschäftsmodelle), PSI-Richtlinie etc. hohe Innovationshemmnisse, die sich zunehmend als Wettbewerbsnachteile gegenüber privaten Unternehmen manifestieren und mögliche Markteintrittshürden Privater überkompensieren.
- Wenn es globale Plattformunternehmen schaffen, die Kundenschnittstellen in der Daseinsvorsorge zu übernehmen, werden kommunale Unternehmen überall dort verdrängt, wo margenträchtige Geschäftsfelder liegen. Im Ergebnis werden viele der heutigen Leistungen nicht mehr finanzierbar sein und entfallen oder deutlich teurer werden.
Herausforderungen der Digitalisierung
- Kommunale Unternehmen sind für die Herausforderungen der Digitalisierung gut, aber noch nicht gut genug aufgestellt. Sie müssen von der Politik besser vor unfairer privater Konkurrenz geschützt werden, können aber grundsätzlich aus eigener Kraft die Aufgaben der Digitalen Daseinsvorsorge erbringen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Politik ein „Level Playing Field“ von kommunalen und privaten Unternehmen insbesondere bei Sparten im Wettbewerb sicherstellt.
- Wenn kommunale Dienstleister im Wettbewerb gegen die globalen Plattformanbieter erfolgreich sein wollen, müssen sie Skalenvorteile durch interkommunale Kooperationen heben, föderale Strukturen schaffen, um auf höheren Ebenen Kompetenzen zu bündeln und Skalen zu schaffen, vor Ort in verstärkte Kooperation gehen (economies of scope) und vor allem schnell sein. Interoperabilität und gemeinsame Standards sind anzustreben.
- Parallel dazu braucht es eine rasche europäische Anstrengung den Rückstand bei Software, Plattformen und Digitalunternehmen aufzuholen. Das erfordert mehr als Regulierung. Die Digitalaktivitäten kommunaler Unternehmen können einen Beitrag zu einer europäischen Initiative leisten.
- Marktplätze im klassischen Sinn sind eine grundlegende Infrastruktur, die Teil der Daseinsvorsorge ist. Entsprechendes gilt für digitalisierte Marktplätze, heute als digitale Plattformen bezeichnet. Es ist die Aufgabe von Kommunen, auch digitale Marktplätze aufzubauen und diskriminierungsfrei anzubieten.
- Durch den Vormarsch digitaler, globaler Plattformen in privater Hand wird der Staat in originären Aufgaben unterlaufen, insbesondere in der Sicherstellung einer digitalen Identität seiner Bürger. Dies erfordert aus übergeordnetem Interesse einen gesetzlichen Schutz kommunaler und anderer staatlicher Leistungen.
- Die Digitalisierung führt zu erheblichem Veränderungsdruck in den kommunalen Unternehmen, bei Qualifikation, Organisation und Kultur. Durch Qualifikation und Partizipation wird es den kommunalen Unternehmen gelingen ihre Mitarbeiter*innen für die notwendigen Veränderungen durch Digitalisierung zu gewinnen. Das Knowhow qualifizierter Mitarbeiter*innen kann sogar Treiber dieser Entwicklung sein.
Corporate Digital Responsibility. Der Umgang mit Daten.
- Bei Regulierungen zu Datenschutz und Open Data sollten Deutschland und die EU eigene Maßstäbe setzen und auf strenge Regeln setzen. Dabei sollte die öffentliche Hand auch ihre Marktmacht nutzen, um Standards durchzusetzen.
- Die Hoheit über personenbezogene Daten, die bei der Erbringung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge entstehen, muss bei den jeweiligen Bürger*innen bleiben; die Hoheit über sonstige Daten aus der Daseinsvorsorge und aus dem öffentlichen Raum muss bei den Kommunen liegen.
- Bei Regulierungen zu Open Data dürfen kommunale Unternehmen nicht schlechter gestellt werden als ihre privaten Wettbewerber. Insbesondere wenn kommunale Unternehmen Daten öffentlich machen müssen, gilt das auch für private Wettbewerber.
- Digitalisierung macht Infrastrukturen verletzlicher, daher hat Datensicherheit eine sehr hohe Priorität.
- Bürger*innen erwarten von kommunalen Unternehmen grundsätzlich ein hohes Maß an Sensibilität im Umgang mit personenbezogenen Daten (großer Vertrauensvorschuss). Daher müssen es kommunale Unternehmen mit der Auslegung z. B. der DSGVO sehr genau nehmen.
- Die Intentionen der DSGVO sind richtig, gleichzeitig ist sie in der praktischen Anwendung insbesondere für kleinere kommunale Unternehmen aktuell kaum handhabbar. Damit spielt die DSGVO massiv den Internetkonzernen in die Hände. Gleichzeitig ist sie in der Breite noch nicht verstanden und wird daher viel zu kompliziert gesehen. Nach einer Klärungsphase wird die praktische Anwendung der DSGVO auch für kleinere kommunale Unternehmen handhabbar.
- Für die Mehrzahl der Bürger*innen ist der Schutz personenbezogener Daten wichtig, gleichwohl besteht eine Bereitschaft, personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen, sofern im Gegenzug ein angemessener Nutzen entsteht. Dies gestattet datengetriebene Geschäftsmodelle auf Basis personenbezogener Daten grundsätzlich auch für kommunale Unternehmen.
Thesenpapier zum Downlaod:
Smart City München
Digitalisierung für eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft
Bereits heute lebt die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Um daraus resultierenden urbanen Problemstellungen zu begegnen, steht die intelligente Nutzung der verfügbaren Ressourcen und die Steigerung der Effizienz im Fokus.
Der systematische Einsatz von Informations-, Kommunikations- und ressourcenschonender Technologien in Städten hilft dabei, Lebensqualität zu steigern, die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Wirtschaft dauerhaft zu erhöhen und den Weg in eine postfossile Gesellschaft zu ebnen. Unsere Städte werden dadurch lebenswerter, zukunftsfähiger und intelligenter. Sie werden zu Smart Cities.
Elektromobilität
München ist nicht nur Vorreiter der Energiewende, sondern geht diese auch ganzheitlich an: Neben Strom und Wärme wird hier auch die Mobilität mitbetrachtet. Die Stadt München befördert jährlich über 550 Millionen Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr. Bereits heute fahren U- und Trambahnen mit Ökostrom. Zudem wird die Busflotte auf Elektroantrieb umgestellt. Das führt zu einer deutlichen Reduzierung von Emissionen.
Um den Nahverkehr für die Bürger*innen und Besucher*innen noch komfortabler zu gestalten, haben die Stadtwerke München auch neue Mobilitätsformen mit digitalen Schnittstellen – Apps – entwickelt.
Zentraler digitaler Zugang: M-Login
Diese Apps können einfach, schnell und unkompliziert mit nur einem Zugang genutzt werden: dem M-Login. Er bündelt Mobilitätsangebote wie Fahrplanauskünfte und Online-Tickets sowie Leih-Räder, e-Bikes, Car Sharing und Ridepooling-Dienste.
Darüber hinaus bietet der M-Login Zugriff auf viele weitere digitale Services der Stadt wie digitale Parkscheine, Veranstaltungshinweise und Tickets oder sogar das Monitoring des eigenen Energieverbrauchs. Das Angebot des M-Login wird kontinuierlich um weitere Services erweitert. Dies macht ihn zum ganz persönlichen Zugang zur Stadt München.
Dies sind Beispiele aus einem ganzheitlichen Ansatz, die jeden Aspekt des öffentlichen Lebens und der Gemeinschaft berühren. Erst im unmittelbaren Zusammenspiel von Bürger*innen, kommunalen Unternehmen und der regionalen Verwaltung entfaltet die Smart City ihr ganzes Potential, um unsere Stadt für eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft aufzustellen.