Krisendienst Psychiatrie Oberbayern: Soforthilfe für die Seele
27.05.2022 | Angst, Verzweiflung, familiäre Probleme: Der Krisendienst Psychiatrie Oberbayern hilft Menschen in seelischen Notlagen – telefonisch und vor Ort.
Der Krisendienst Psychiatrie Oberbayern ist 24 Stunden am Tag telefonisch unter 0800/655 3000 erreichbar. Denn persönliche Krisen kennen keine Uhrzeit. Die Leitstelle des Krisendienstes Psychiatrie Oberbayern verzeichnet pro Jahr etwa 30.000 Telefonkontakte mit Menschen in einer psychischen Krise. Oft ist auch ein Einsatz vor Ort notwendig: 2.113-mal im Jahr 2021. Innerhalb einer Stunde können mobile Teams des Krisendienstes bei den Betroffenen sein und Soforthilfe leisten – egal, wie spät es ist.
Dr. Petra Brandmaier, ärztliche Leiterin der Leitstelle Krisendienst Psychiatrie Oberbayern
Quelle: Bezirk Oberbayern/Samantha Meier
Erste Hilfe für die Seele: Kurzinterview mit Dr. Petra Brandmaier
Jede*r Dritte in Deutschland gerät zumindest einmal im Leben in eine psychische Krise. In solchen Fällen ist der Krisendienst Psychiatrie Oberbayern eine wichtige Anlaufstelle. Dr. Petra Brandmaier, ärztliche Leiterin der Leitstelle und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, über die Arbeit des Krisendiensts und ihres Teams.
Mit welchem Anliegen wenden sich Menschen an den Krisendienst Psychiatrie Bayern?
Das ist ganz verschieden. Häufig sind es schwierige Lebenssituationen, etwa familiäre Konflikte, auch der Verlust einer wichtigen Bezugsperson, dann auch Partnerschaftsprobleme, bis hin zur Not bei psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen und den damit verbundenen Ängsten. Ich möchte betonen: Wenn Sie mit Angst und Verzweiflung kämpfen, sich alleingelassen fühlen, keinen Ausweg mehr sehen: Zögern Sie nicht, die Nummer des Krisendiensts für psychische Hilfe zu wählen. Eher früher als später!
Nicht nur Betroffene, auch Angehörige können sich an den Krisendienst Psychiatrie wenden.
Ja, hier gilt der gleiche Appell: Bitte immer anrufen, wenn Sie in Sorge um Angehörige oder nahestehende Menschen sind und Fragen auftauchen, die Sie nicht allein beantworten können. Angehörige waren 2020 mit 22,5 Prozent die zweitgrößte Gruppe von Anrufenden in der Leitstelle – neben direkt Betroffenen mit 61,2 Prozent.
Wer arbeitet beim Krisendienst und wie hilft er oder sie den Anrufenden?
In meinem Team arbeiten Fachkrankenpflegekräfte für Psychiatrie, Sozialpädagog*innen und Psycholog*innen. Unser Anliegen ist es, gemeinsam mit den Anrufenden zu begreifen, um was es geht, eine Einordnung vorzunehmen, zu beraten, zu entlasten und im Weiteren konkrete Hilfestellungen anzubieten und gegebenenfalls auch zu vermitteln. Die telefonische Beratung hat dabei den Vorteil, dass unsere Klient*innen erst einmal den Schutz der Anonymität nutzen können, bis genügend Vertrauen aufgebaut ist.
Viele scheuen sich, psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Was ist ein sicherer „Indikator“, dass man professionelle Hilfe braucht?
Im Grunde ist kein Anlass zu gering. Wenn Verlust von Sicherheit und Kontrolle empfunden wird, sollte man Hilfe suchen. Wir vom Krisendienst Psychiatrie verstehen das nicht als Zeichen von Schwäche, sondern als kompetenten Schritt, um mit professioneller Hilfe wieder handlungs- und entscheidungsfähig zu werden. Bei körperlichen Problemen sucht man sich ja auch kompetente Hilfe.
Vielen Dank für das Interview.
Wenn man nicht mehr weiterweiß: Sozialpädagogin Natalja Ferroni im Kurzinterview
Natalja Ferroni, Sozialpädagogin und Ansprechpartnerin für die Einsatzteams in München, über die Hilfe, die sie vor Ort leisten.
Wann kann man sich an den Krisendienst Psychiatrie wenden?
Immer, wenn man selbst nicht mehr weiterweiß, sich Sorgen macht, dass es beispielsweise einer Freundin, dem Partner, einem Elternteil oder Kind nicht gut geht und man nicht mehr aus einer psychischen Krise herausfindet. Man kann sich auch an den Krisendienst wenden, wenn man zum Beispiel eine Frage hat, welche Einrichtung oder Therapie die richtige sein könnte.
Wie sieht die Hilfe vor Ort aus?
Das Einsatzteam fährt schnellstmöglich zum vereinbarten Treffpunkt: Das kann der Arbeitsplatz, die Wohnung oder auch mal draußen sein – je nachdem, wo sich die betroffene Person befindet. Es versucht, in einer möglichst beruhigten Umgebung im Gespräch abzuklären, was die aktuelle psychische Krise hervorgerufen hat. Dann erarbeitet das Team mit der Person und/oder ihren Angehörigen, welche nächsten Schritte notwendig sind, und unterstützt bei der Organisation.
Gibt es Situationen, in denen Ihre Fachkräfte nicht weiterhelfen können?
Ja, beispielsweise wenn die betroffene Person stark alkoholisiert ist. Schwierig ist es natürlich auch, wenn die Betroffenen Hilfe ablehnen.
Wie hat die Corona-Pandemie die Arbeit der mobilen Teams verändert?
Menschen, denen es vor der Pandemie schon schlecht ging, können jetzt kaum mehr auf Ressourcen zurückgreifen: Das teils mühsam erarbeitete soziale Netz ist weggebrochen. Viele kämpfen auch mit existenziellen Nöten, sie sind durch vielfältige Belastungen am Ende ihrer Kräfte. Wir erleben auch, dass durch das Wegbrechen von haltgebenden Strukturen Ängste hervorgerufen werden.
Wie können das Umfeld bzw. Bezugspersonen die Betroffenen unterstützen?
Hinhören, da sein und frühzeitig Unterstützung von außen holen. Man sollte als Bezugsperson aber auch auf die eigenen Ressourcen achten und sich selbst nicht überfordern.
Vielen Dank für das Gespräch.
Sozialpädagogin Natalja Ferroni vom Krisendienst Psychiatrie Oberbayern
Quelle: privat
SWM und Krisendienst Psychiatrie: Starke Partner für seelische Gesundheit
Seit 1. März 2022 ist der Krisendienst Psychiatrie Oberbayern täglich rund um die Uhr unter 0800/655 3000 erreichbar. Mit einer Plakatkampagne im öffentlichen Nahverkehr tragen wir dazu bei, die neue kostenlose Nummer des Krisentelefons in München bekannt zu machen.
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